Rita Fischer

ANKOMMEN. BLEIBEN.

„Warwitz- wo ist das denn?“, werden Sie sich fragen.

Sie kennen Schlutup, Gothmund, Kücknitz, Herrenwyk? Dann kennen Sie auch das fiktive Warwitz, diesen kleinen Ort, idyllisch an der Trave gelegen. Dort wachsen Bäume auf den Dächern, schwimmen Autos auf dem Fluss und die Damenwelt riecht nach Makrelen in Tomatensoße.

Nein, stopp, das war einmal …, damals in den 40ern, als britische Bomber nach den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, im Lauerholz versteckt, suchten. Die Tannen dienten als Sichtschutz – Schutzschilde gegen die feindlichen Höllenhunde, die späteren Befreier.

Und echtes Makrelen-Parfum? Das gab es weder früher noch heute. In den 50ern waberte kein „Duft der weiten Welt“ über den Marktplatz, nein, man roch Rotkohl oder dünstete Räucherfisch aus, weil die fleißigen Frauen „in die Fische gingen“, wo sie die Fischköppe von den Schuppen befreiten. Und die Autos auf dem Wasser? Gab’s die wirklich? Ja, in der Wiek unten bei der Bettfedernfabrik wurden die Amphicars zu Wasser gelassen.

Ein kurzer Spaß, als in den 60ern US-amerikanisches Hightech in Warwitz einzog!

Aber das ist nicht alles, wovon in dem Roman ANKOMMEN. BLEIBEN. zu lesen ist. Es geht um die Nachkriegszeit, in der die Vertriebenen und Geflüchteten noch einmal bei Null begannen, als man wieder eine Zukunft vor sich sah und man die Vergangenheit vergessen wollte. Am Beispiel der Familie Neumann erlebt man die Aufbruchstimmung mit und freut sich mit ihnen über die Errungenschaften der Zeit wie Fernseher, Auto und Telefon. Man ist wieder wer und vermisst doch sehnsüchtig die verloren gegangene Heimat.

Jenseits der Grenze lebt der andere Zweig der Familie und muss sich gegen die DDR-Obrigkeit und deren Repressalien durchsetzen.

Zwei deutsche Schicksale – hüben und drüben.

ANKOMMEN. BLEIBEN.

Eine Familiengeschichte.
Roman von Rita Fischer

„Oda war am Tag das fröhliche, unkomplizierte Mädchen für alles, das sich nicht davor scheute, sich schmutzig zu machen, wenn Hand angelegt werden musste im Schacht bei der Braunkohle, wo ihre Hauptaufgabe darin bestand, zu überprüfen, ob die Förderloren nicht zu voll gefüllt waren. Büroarbeiten liefen nebenher … - Erzählte sie später einmal von ihren vielen Jahren im Braunkohlebergbau, wollte sie den Eindruck erwecken, alles sei ganz leicht gewesen, sie hätte sogar ein Schläfchen zwischendurch gemacht. Und das sei nicht bemerkt worden …“

„Oda war am Tag das fröhliche, unkomplizierte Mädchen für alles, das sich nicht davor scheute, sich schmutzig zu machen, wenn Hand angelegt werden musste im Schacht bei der Braunkohle, wo ihre Hauptaufgabe darin bestand, zu überprüfen, ob die Förderloren nicht zu voll gefüllt waren. Büroarbeiten liefen nebenher … – Erzählte sie später einmal von ihren vielen Jahren im Braunkohlebergbau, wollte sie den Eindruck erwecken, alles sei ganz leicht gewesen, sie hätte sogar ein Schläfchen zwischendurch gemacht. Und das sei nicht bemerkt worden …“

Odas Schwester und deren Mann hatten keine Kinder. Das war Odas Glück. So wuchs die kleine Liesl tagsüber bei Tante und Onkel mehr oder weniger im Kolonialwarenladen auf. Oda brachte ihre Tochter am Morgen und holte sie am Abend zu sich nach Hause. Freizeit gab es selten …

Auch Väter waren einmal Babys. Bertl Neumann wusste 1914 noch nicht, was alles noch geschehen sollte: Der 1. Weltkrieg hatte gerade begonnen, der 2. sollte nicht lange auf sich warten lassen … Die Welt drehte sich weiter und weiter. Sein Bruder Franz und seine Eltern würden ihn noch viele Jahre begleiten.

„Er war so ein fescher Mann, der Papa!“, schluchzte sie leise. „Groß, schwarzhaarig, schlank. Nie hatte er es mit der Gesundheit, auch damals nicht, als er noch Holzkaufmann war. Und dann kommt der blöde Krieg und ihm fallen die Zähne und die schönen Haare aus.“ Sie schnäuzte in ihr Taschentuch. „Und manchmal war er ganz traurig und wollte nicht sprechen.“

Rolfi, Mama Liesl, ein Onkel und die Großmutter wähnen sich in Sicherheit. Woanders tobt der Krieg. Papa Bertl ist als Soldat irgendwo im Osten im Kriegseinsatz. Er hat seinen Sohn erst einmal gesehen. Wann kommt er wieder zurück in die Heimat? Wird er gesund sein?

1956. Das Holstentor in Lübeck. Der trutzige Bau mit der Inschrift „Concordia domis foris pax“: Eintracht im Inneren, Friede nach außen. Lübeck- ein Neubeginn. 10 Jahre zuvor sind Mama Liesl, Oma Oda und der kleine Rolf aus ihrer alten Heimat vertrieben worden. 10 Jahre haben sie schon Frieden und seit 4 Jahren gehört die kleine Rosa zur Familie.

Nie wieder Krieg!

Ruhe, ausruhen, Sorgen vergessen und träumen. Mama Liesl denkt an all die Schätze, die sie vor der Flucht versteckt hat. Der Spuk sollte schließlich irgendwann vorbei sein. Nun aber genießt sie die friedliche Stimmung im Garten. Mit Bertl, ihrem Ehemann.

Schon wieder ein Foto! „Es ist kalt, Mama!“

Das hübsche Kleidchen, das ihr Irene genäht hat, wärmt Rosa nicht. Sie will rein ins Haus und spielen, nicht Mamas Fotomodell sein.

Endlich Schule! Rosa weiß nicht, dass ihr neues Kleid vom Textilhaus Münch ein Loch in die Haushaltskasse gerissen hat. Aber das sollte keiner wissen. Schließlich ist Papa Beamter – und darauf kommt es an!

Horst hat 1955 „rübergemacht“. Er baut sich ein neues Leben in Warwitz auf, ganz in der Nähe der Neumanns, die ihm anfangs unter die Arme greifen. Er geht zuversichtlich in die neue Zukunft und gleichzeitig sehnt er sich nach seiner Mamme und Heino, die er in Bliesterwalde zurückgelassen hat.

Horst und Irene 1959 in Berlin. Bald wird Irene über Tempelhof ausreisen und mit Horst in Warwitz ein neues Leben beginnen.

Die Welt dreht sich weiter und weiter – im Osten, im Westen, im Süden, im Norden. In Warwitz und Bliesterwalde …